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Lass fliessen und pfeife!

Sommer in Celerina - Romana Ganzoni

Celerina
Sommer in Celerina. Ich fühle mich wie am Mittelmeer...

…, wenn ich vom Küchenstuhl aus den Fluss betrachte. Wie das Wasser, das sich farblich nie festlegt, um die Ecke biegt. Neuerdings legen Menschen bunte Flauschtücher auf der frisch gemähten Wiese am Ufer aus, sie stellen Klappstühle mit gestreiften Bezügen und Picknickkörbe hin, heben hoffnungsvoll ihre Gläser und lesen stundenlang in Büchern. Neulich sass ein junger Mann da mit einer Gitarre in der Hand. Die Leute setzen Strohhüte auf, zücken Sonnencremes, lachen, sind vergnügt oder schlafen ein, bis die Sonne weg ist. Das wäre alles nicht der Rede wert, erzählte ich es in Zürich oder Genua. Aber auf 1720 Metern über Meer?

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Ab und zu wagt sich ein Mutiger ins Wasser, dann eine Heldin, um gleich wieder rauszuspringen oder um zu verweilen. Manche schwimmen gegen den Strom, andere kühlen den Körper nach einer Laufrunde. Und dazu all die Menschen, die zuschauen, flanieren, stehen bleiben, weiter gehen. Als wären sie an der Riviera. Kleine, wilde Kinder mit buntem Helm pfeifen vorbei, auf Dreirädern mit Hupe. Dann kommen die Hunde, laute und phlegmatische, einer wollte partout nicht mehr weiter. Ich will getragen werden, Mensch! Na klar. Im letzten Jahr führte eine elegante Frau eine dieser kostbaren, ozelothaften Katzen an einem Halsband vorbei - auf eine Eintritt heischende Art. Doch: Niemand muss bezahlen für Spektakel und alpin-mediterrane Leichtigkeit.

Wie viel mehr und anderes liesse sich noch sagen über einen einzigen Abschnitt des Flusses, der dem Tal seinen Namen gab, und den ich vom Küchenstuhl aus sehe! Zum Beispiel über die «Bauncha», den historisch-restaurierten, bedachten Waschsteg neben Brunnen und Sitzbank. Er zwinkert den Badeleuten am Ufer zu und den Spazierenden und sagt, ja, genau, hier gehört das soziale Leben und die Sexyness des Dorfes hin, ihr habt es erfasst.

Das findet auch der knallgelbe Kanarienvogel auf der Hausmauer eingangs der via San Gian, unweit der Bauncha und des Coop, der ewig-freche «canarin» (mit Betonung auf dem «i», als wäre es sein Gesang), ein Sgraffito des Künstlers und Mitbegründers des Kulturarchivs Oberengadin, Giuliano Pedretti, der im Januar 2012 starb.

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Der Vogel sagt, ach, was, Giuliano lebt, schaut mich an, ich pfeife noch lange sein Lied.

Und nicht nur das. Der lustige Vogel weist auf alle Künstlerinnen und Künstler hin, vor allem aber auf die ruma(u)ntsch sprechenden, die unverdrossen ihr Lied pfeifen in Dorf und Tal – und ganz besonders auf die hier ansässige Familie Pedretti, auf Giulianos Vater, den bedeutenden Maler Turo, seine Schwägerin Erica, Schrifstellerin und Künstlerin von Rang, und auf ihren Mann, Giulianos Bruder, Gian, der ebenfalls Maler ist.

Giuliano Pedretti erzählte, vor Jahren sei ein Herr aus Genua an der via San Gian ein- und ausgegangen, in Begleitung eines Kanarienvogels, den er jeweils aus seiner Heimatstadt mitbrachte. Deshalb prange nicht nur ein Kanarienvogel auf der Fassade, sondern auch, zu Ehren Genuas, der Superba, Delphine. Aber wie kommt der Vogel zu dieser Farbe?

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Im Kulturarchiv Oberengadin liegen Illustrationen von Giuliano, die er zum Erzählband mit dem Titel „Il canarin“ des schillernden Schriftstellers Artur Caflisch aus Zuoz machte. Unter ihnen ist kein Kanarienvogel, der ist noch ganz Wort, aber schauen Sie sich das Gelb des Titelbandes an! Jahre später prangt ein vorlauter kleiner Vogel in dieser Farbe über einem Fenster, als wäre aus dem Wort Fleisch und Feder geworden.

Der Piepmatz erinnert uns nicht nur an die angestammte Sprache und Kultur des Engadins und an unsere eigene Lebendigkeit

… (und dass wir alle schräge Vögel sind), sondern weist darüber hinaus: Er erinnert uns daran, wie viele Menschen in dieser Gegend Inspiration gefunden haben, und dass wir in jeder Gegend ohne Kunst und Literatur aufgeschmissen wären.

Naja, gut, wir hätten immer noch die Kids mit buntem Helm, die auf dem Dreirad mit der Hupe vorbeipfeifen.

Autorin: Romana Ganzoni

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