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«Als wäre ich verliebt»

Tamara Jörg

Kreativ, jung, mutig, experimentierfreudig, umtriebig, eine Frohnatur – um Tamara Jörg zu beschreiben, genügen die typischen drei Merkmale nicht. Die 29-Jährige arbeitet als Tätowiererin im Engadin. Sie hat den Schritt gewagt und ihr eigenes Studio eröffnet. Zuerst in Pontresina, dann hat es sie nach S-chanf gezogen, mittlerweile sticht sie in Samedan. Stillstehen, das passt nicht zu Tamara.

Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist sie in St. Moritz und hier hat sie noch heute ihren wichtigsten Rückzugsort. In einem Waldstück zwischen St. Moritz und Surlej steht auf einer Wiese ein Baum, abseits aller anderen Bäume. Er wurde für den verstorbenen Vater von Tamara gepflanzt. 10 Jahre sind seit seinem Tod vergangen – der Gang zu diesem Ort wiege mittlerweile nicht mehr so schwer, sagt Tamara, während wir die Strasse dahin unter die Füsse nehmen. «Vielmehr ist es der Ort, der mir Ruhe und Erdung schenkt, wenn ich sie brauche.» Tamaras Vater war Förster, er hat den Wald geliebt.

Bildhauerin, Forstwartin, Tätowiererin

Nicht von ungefähr kommt daher wohl auch die Verbindung von Tamara zum Wald, zum Element Holz. Es wurde ihr in die Wiege gelegt, auch wenn sie klar sagt, dass der berufliche Weg, den sie gegangen ist, nichts mit ihrem Vater zu tun hat. Wir sitzen im Gras neben dem Baum. Während sie erzählt, zupft sie immer wieder einen Grashalm aus dem Boden, spielt etwas damit herum. Nach der Schule absolvierte Tamara eine vierjährige Ausbildung als Holzbildhauerin in Brienz. Dabei hat sie sich immer dafür interessiert, woher das Material stammt, aus dem sie ihre Kunstwerke fertigt. Die Zweitlehre als Forstwartin, die sie daher zusätzlich begann, schloss sie jedoch nie ab. Ein kaputtes Knie kam dazwischen und dann das Tätowieren. Diese Leidenschaft, welche sie zufällig entdeckt hat und welche sie nicht mehr loslässt. «Es war ein Basiskurs in Tätowieren in Innsbruck ausgeschrieben, an dem ich teilgenommen habe, und es hat mich sofort gepackt. Ich bin jeden Morgen mit einem Grinsen aufgestanden, weil ich mich so auf den Tag gefreut habe. Es war, als wäre ich verliebt.» Montage!? Kennt sie seitdem quasi nicht – ihr mache jeder Arbeitstag wahnsinnig viel Spass.

Der Weg vom Kurs in Innsbruck zum eigenen Studio «Woodattoo» im Engadin jedoch war lang. Es ging erst mal darum, das Handwerk richtig zu erlernen. Üben, üben, üben – auf Moosgummi, Schweinehaut, Bananenschalen und Kunsthaut. Aber weil sich erst zeigt, ob ein Tattoo gelungen ist, nachdem es verheilt ist, musste irgendwann die eigene Haut hinhalten, dann jene von guten Freunden, jene der eigenen Mutter. «Sie alle haben mir ganz viel Vertrauen geschenkt, als ich noch nichts konnte,» sagt Tamara und lacht. Ein Wert, der für sie auch jetzt, da sie routiniert ist, eine zentrale Rolle spielt – denn ihre Kunden vertrauen ihr oft ihre ganz persönlichen Geschichten an. Tamaras Aufgabe ist es, diese künstlerisch umzusetzen und auf der Haut zu verewigen. «Ich erinnere mich noch gut an die ersten Male – meine Hand hat gezittert.»

«Ich bin keine Künstlerin»

Szenenwechsel. Wir schlendern durch S-chanf. Zu diesem Zeitpunkt hat Tamara hier ihr Studio. In diesem charmanten Dorf am Tor zum Nationalpark, mit Engadiner Häusern und dem Kirchturm, der das Bild prägt, läuft man Richtung Dorfzentrum. Ein Tattoo Studio passt auf den ersten Blick eigentlich nicht – aber das Image von schmuddeligen, dunklen Studios ist längst veraltet. Auch die Vorstellung, wie ein Tätowierer aussieht, hat sich gewandelt – Tamara ist ein Beispiel dieser hippen, modernen, kreativen Szene. Als Künstlerin jedoch mag die junge Engadinerin sich nicht bezeichnen. Ein Künstler lässt sich Zeit und erschafft sein Werk. «Ich hingegen erhalten einen Auftrag und erschaffe etwas für einen Kunden – mir monatelang Zeit zu lassen, auf den richtigen Moment zu warten, um das Werk zu schaffen – das kann ich mir nicht leisten. Man lernt zu liefern, auch wenn es um kreative Aufgaben geht,» sagt sie. Und doch setzt sie sich intensiv mit ihren Kunden auseinander. Denn in den meisten Fällen kommen diese mit einer Geschichte zu ihr. «Es ist eine Ehre, ein Teil von etwas so Persönlichem zu sein.»

«Meine Tattoos sind mein Tagebuch»

Die Sache mit der Geschichte, die ein Tattoo erzählt, kennt Tamara. Ihren Körper schmücken Tattoos auf dem Rücken, am Ohr, dem Oberschenkel, auf beiden Füssen und – am auffälligsten – am ganzen linken Arm. Er ist bis über die Fingerkuppen verziert. Darin finden sich Tiere, Linien, Schatten – Elemente der Natur, die Tamaras Leben widerspiegeln. Details nennt sie keine, es sind persönliche Erlebnisse, die sie mit ihren Tattoos verarbeitet. «Andere schreiben Tagebuch, mein Papier ist meine Haut.»